Nach seiner Schulzeit in Konstanz und seinem Abitur (1958) absolvierte Hartmut Diethelm Soell ein Studium der Geschichte, Politischen Wissenschaft und des Völkerrechts in Heidelberg und Göttingen. Im Jahr 1963 wurde er mit einer Arbeit über „Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung im Reichsland Elsaß-Lothringen 1871–1918“ bei Werner Conze promoviert. Nach dem Grundwehrdienst arbeitete Soell von 1965 bis 1968 als Assistent der SPD-Bundestagsfraktion in Bonn. Dort gehörte er zum engeren Mitarbeiterkreis von Helmut Schmidt, der 1966/67 die Fraktionsführung übernahm. Seit 1977 Professor für Neuere Geschichte in Heidelberg, gewann Soell im Jahr 1980 ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag und gehörte ihm bis 1994 an.
Hartmut Soell verband in mustergültiger Weise sein wissenschaftliches Interesse mit seinem politischen Engagement. In seiner Habilitationsschrift (1976) setzte er sich mit Fritz Erler auseinander, dem Vorgänger Schmidts an der sozialdemokratischen Fraktionsspitze. Weitere Biografien folgten, zunächst 1991 über den jungen Herbert Wehner und dann – bis heute ein Standardwerk – eine zweibändige Arbeit über Helmut Schmidt (2003/2008). Soell zeichnete dessen Leben und politisches Wirken auf breiter Materialbasis kenntnisreich und analytisch stark nach. Konsequent verortete er Schmidts „pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken“ in den prägenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik Deutschland mit ihren deutsch-deutschen Bezügen und internationalen Verflechtungen. Darüber hinaus fragte Soell, inwieweit Schmidt mit seinem Politikverständnis, das jedweder Ideologie misstraute, als typisch für eine bestimmte Generation in der Sozialdemokratie gelten könne.
Am 6. April 2023 ist Hartmut Soell verstorben. Seine enorme Schaffenskraft und intellektuelle Brillanz werden fehlen. Hartmut Soell war von 1984 bis 2001 Mitglied der Historischen Kommission der SPD. Wir werden Hartmut Soell in ehrendem Andenken bewahren.
Dr. Meik Woyke, Mitglied des Geschichtsforums der SPD